Cord-Borgentrick-Steines 2019“ an Dr. h. c. Herbert Schmalstieg

Bericht von der Verleihung des „Cord-Borgentrick-Steines 2019“ an
Dr. h. c. Herbert Schmalstieg am 24. November 2019 im Neuen Rathaus
Seit der Verleihung des ersten Cord-Borgentrick-Steines 2008 hat die Feierstunde ihre äußere Gestalt beibehalten – mit Ausnahme der Filme über die Preisträger, die Bruno Hanne professionell aufnahm Der Tod Bruno Hannes, der 2018 postum mit dem Preis geehrt wurde, beendete diese Tradition. Umrahmt wurde die Feierstunde wieder mit Musik, vorgetragen von dem Duo „Custos – Ensemble für frühe Musik“.

Nachdem der Stellvertretende Präsident des Heimatbundes, Dr. Georg Ruppelt, der den erkrankten Präsidenten Heinz-Siegfried Strelow vertrat, die zahlreichen Gäste begrüßt hatte, sprach Bürgermeister Thomas Hermann das Grußwort der Landeshauptstadt Hannover.

Darauf folgte die Laudatio auf den Preisträger von Georg Ruppelt.

Es ist eine große Ehre, im Auftrag des Heimatbundes Niedersachsen und der Landeshauptstadt Hannover im Neuen Rathaus dieser historisch und kulturell bedeutsamen und mit wunderbaren Gärten gesegneten Stadt, die Laudatio auf Herbert Schmalstieg halten zu dürfen. Eine Laudatio also zu halten auf das hannoversche Urgestein oder den Oberbürgermeister schlechthin. Besser und kürzer als sein Biograph Michael Krische kann man es nicht sagen: „Herbert Schmalstieg — Ein Leben für Hannover“ – so der Titel des 2012 in erster Auflage erschienenen Bandes.

Nichts muss ich dieser illustren Runde erzählen von dem einst jüngsten Oberbürgermeister Deutschlands, der schließlich zum Dienstältesten mutierte. Auch nicht, dass in seiner Amtszeit von 1972 bis 2006 hier die Weltausstellung Expo 2000 und Fußballspiele zweier Weltmeisterschaften stattfanden.

Die Welt besuchte damals die Landeshauptstadt. Aber Hannover ist ohnehin allein durch seine Messe seit der Nachkriegszeit mit der ganzen Welt verbunden und jedes Jahr finden Tausende von Besuchern und Gästen aus allen Kontinenten den Weg hierher.

Herbert Schmalstieg hat stets die Interessen Hannovers in den Vordergrund seines Wirkens gestellt. Doch er hat sich in all seinen offiziellen Funktionen und Tätigkeitsfeldern wie auch in seinem weit gespannten ehrenamtlichen Engagement immer auch leidenschaftlich für die Menschenrechte, für Menschwürde und für den Frieden eingesetzt. Und das tut er auch heute noch mit unverminderter Freude und nachdrücklicher Deutlichkeit.

Auf die mehr als 30 Ehrungen und Auszeichnungen, die Herbert Schmalstieg in Deutschland, Europa und in der ganzen Welt wegen dieses vielfachen Engagements erhalten hat, kann ich hier in der Kürze der vorgegebenen Zeit nicht eingehen – zumal auch, sozusagen zwischendurch, immer noch manches hinzukommt. Hier also nur wenige Beispiele. Herbert Schmalstieg ist u. v. a.:

Ehrendoktor zweier britischer Universitäten,
Commander oft the British Empire,
Ritter des nationalen Ordens der Ehrenlegion der Republik Frankreich,
Träger des Phönix-Ordens der Republik Griechenland,
Ehrenprofessor der Tongji-Universität Shanghai,
Träger des Ordens vom Aztekischen Adler der Vereinigten Mexikanischen Staaten,
Träger des Ordens der Aufgehenden Sonne, Japan,
Träger der Goldenen Magnolie der Stadt Shanghai,
Ehrenbürger von Hiroshima, Posen, New Orleans und, ja natürlich, Hannover.

Möglicherweise habe ich nicht die wichtigsten Ehrungen ausgesucht und eben zitiert, aber sicherlich die mit den schönsten Namen.

Wenig ist man sich in unseren gegenwärtigen Alltagsgeschäften der Tatsache bewusst, dass die internationale Ausrichtung dieser Stadt durchaus eine lange Tradition hat. Sie war einmal die Residenz eines aufstrebenden Kurfürstentums bzw. Königreiches. Dieses aber war 123 Jahre lang in Personalunion der Staatsspitzen mit der sich entwickelnden Weltmacht Großbritannien verbunden. Hier in der Residenz Hannover trafen sich Mächtige aus ganz Europa und der Neuen Welt, aber auch hohe Geistlichkeit und Komponisten und Literaten, denn der Hof wollte unterhalten sein. 40 Jahre wirkte hier eines der größten Genies der Menschheitsgeschichte, Gottfried Wilhelm Leibniz. Seine Briefe wurden 2007 der erste Unesco-Welterbetitel in Hannover — ein Pfund, mit dem Stadt und Land nicht nur nach meiner Ansicht vielmehr wuchern könnten.

Herbert Schmalstieg hat, wenn man so will, mit seinen ungeheuer vielseitigen Aktivitäten diese internationale Tradition weitergeführt – wenn auch auf ganz anderen und eigenen Pfaden.

Was aber hat dies alles mit dem Cord-Borgentrick-Stein des Heimatbundes Niedersachsen zu tun? Auf diese Frage antworte ich mit dem Dichter Johann Wilhelm Kinau, besser bekannt als Gorch Fock aus Finkenwerder (1880—1916). In einem Text unter der Überschrift Mensch und Heimat betrachtet er das Menschenleben unter einem ganz besonderen Aspekt:

„Es gibt drei Stufen.

Die e r s t e:
der Heimat den Rücken kehren,
den Himmel stürmen wollen,
die Welt aus den Angeln heben.

Die z w e i t e:

sich, der Welt gram, der Heimat wieder zuwenden,

in ihr alles sehen, sie zum Mittelpunkt alles Lebens machen,

die Welt draußen verachten.
 

Die d r i t t e und höchste:

mit der Heimat im Herzen die Welt umfassen,

mit der Welt vor Augen die Heimat liebend und bauend durchdringen.“

Mit der Heimat im Herzen die Welt umfassen, ist seit 1948 das Motto des Hamburger Abendblattes, und es ist ein Motto, das ich gern als Überschrift über den Namen und die Biographie unseres Preisträgers stellen möchte, denn ich wüsste kein Motto, das besser auf ihn zuträfe.

Bei allem internationalen und nationalem Engagement ist Herbert Schmalstieg sein ganzes Leben lang mit Herz und Hirn seiner hannoverschen Heimat in Zuneigung, auch in kritischer Zuneigung zutiefst verbunden gewesen und ist es bis auf den heutigen Borgentrick-Tag. Die Süddeutsche Zeitung hat einmal über ihn geschrieben, dass der Alt-OB Schmalstieg jeden Laternenpfahl [Hannovers] beim Vornamen kenne. Mit Schmunzeln zitiert Alt-OB Schmalstieg die Süddeutsche, denn er kennt Vergangenheit und Gegenwart seiner Stadt tatsächlich aus dem ff.
 
So ist er etwa im ersten Buch des Bast-Verlages über „Hannoversche Geheimnisse“ der Gewährsmann, der „Pate“, wie es in der Reihe heißt, für den Gedenkstein an der Bortfelder Nicolaikirche und die umstehenden Eichen – angelegt zur Erinnerung an den niedersächsischen Dichter Hoffmann von Fallersleben, der eine Weile in Hannover lebte.

Herbert Schmalstieg weiß, was es mit dem „Tintengraben“ an der Constantinstraße auf sich hat, einem Bach, der Fußbälle färbte — mehr wird nicht verraten. Selber lesen macht klug und gern werbe ich für diese schönen Heimatentdecker-Bücher.

Und unser Preisträger rettete einen Kastanienbaum, der vor dem Landtag einer Skulpturengruppe der Göttinger Sieben weichen sollte. Herbert Schmalstieg setzte sich nach erheblichen Querelen durch. Die Autorin Eva-Maria Bast schreibt dazu:

„Deshalb steht der Baum, auch heute noch, wo er steht. Und deshalb freut sich Herbert Schmalstieg immer, wenn er hier vorbeigeht. Obwohl er das Denkmal mit den Sieben nicht schön findet — eine Meinung übrigens, die er mit so manchem teilt.“

Im zweiten Band der „Geheimnisse“ widmete er sich schließlich einem bisher nicht aufgedeckten Geheimnis, dem aus dem Mittelalter stammenden „Brüningstein“ am Eingang zum Alten’schen Schlossgarten.

Meine Damen und Herren, dies sind nur wenige Beispiele für die „Heimspielstärke“ Herbert Schmalstiegs.

Wie sehr sich der national und international vielfach Ausgezeichnete auf den Cord-Borgentrick-Stein freut, hat er mir in seiner offenen Art während eines Gesprächs vor wenigen Wochen in der DB-Lounge des Hauptbahnhofes vergnügt erzählt — übrigens auch ein Ort für unser Motto: „Mit der Heimat im Herzen die Welt umfassen.“

Den langjährigen Vorstands- und jetzigen Ehrenvorsitzenden der Wilhelm-Busch-Gesellschaft Schmalstieg habe ich dann noch nach seinem Lieblingsgedicht des früheren Mitglieds des Heimatbund Niedersachsen, Wilhelm Busch, gefragt. Das frei zitierte Gedicht schoss förmlich aus dem ehemaligen Oberbürgermeister Hannovers hervor:

„Es sitzt ein Vogel auf dem Leim,
Er flattert sehr und kann nicht heim.

Ein schwarzer Kater schleicht herzu,

Die Krallen scharf, die Augen gluh.

Am Baum hinauf und immer höher

Kommt er dem armen Vogel näher.

Der Vogel denkt: Weil das so ist

Und weil mich doch der Kater frißt,

So will ich keine Zeit verlieren,

Will noch ein wenig quinquilieren

Und lustig pfeifen wie zuvor.

Der Vogel, scheint mir, hat Humor.“

Nach der Überreichung der Urkunde an Herbert Schmalstieg dankte dieser in bewegten Worten für die von ihm mit großer Freude entgegengenommene Ehrung. In einem weiten Bogen erinnerte er an seine Schulzeit in Hannover und den hervorragenden Heimatkunde-Unterricht seiner Lehrer bis hin zu einer Stadtführung durch ihn selbst in der Gegenwart, die er für die Dezernenten und viele Freunde anlässlich seines runden Geburtstages veranstaltet habe. Zum Schluss wies er darauf hin, dass ihm die Stadtverwaltung die Neugestaltung der „Borgentrick-Anlage“ am Döhrener Turm zugesagt habe.

Wie immer schloss sich an die offizielle Feierstunde die Einnahme der „Spartanesuppe“ als geselliger Ausklang an.

Georg Ruppelt

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